top of page
  • Daniela

Warum Sozis sich für Wirtschaft interessieren sollten


Soziale Arbeit und Wirtschaft? Für viele etwas, was nicht zusammen passt, was sich gegenseitig ablehnt oder gar als feindlich betrachtet wird. In der Ausbildung zur Sozialen Arbeit sitzen Studierende, die mit Zahlen nichts zu tun haben wollen, während die Studierenden in der Business-School mit sogenannt "harten Fakten" hantieren und sich nicht vorstellen können, was Sozialarbeiterinnen in der Ausbildung lernen. So oder ähnlich lauten zumindest einige der gängigen Klischees.

Als ich in den 1990er-Jahren Soziale Arbeit an der SOZ (wie die Ausbildungsstätte damals so schön hiess) studierte, legten uns einige Dozierende nahe, den Wirtschaftsteil in der Tageszeitung nicht auszulassen. Wir sollten uns mit Statistik und Finanzen beschäftigen und Geld zum Thema zu machen, nicht nur wenn es Sozialhilfebudgets oder Schulden unserer Klienten betraf. Diskutierten wir Studierenden dann intensiver darüber, zeigte sich bald ein facettenreichers Bild: Viele hatten die Studienrichtung bewusst gewählt, weil der Mensch mit seinen Bedürfnissen im Mittelpunkt steht und empfanden Wirtschaft und Politik als Kontrast dazu, oder gar als Verursacherin sozialer Probleme. Andere hatten weniger Berührungsängste und verstanden es, wirtschaftliche Aspekte in ihr Sozialarbeitsverständnis einzubauen. Studierende der heutigen Studiengänge meinten auf meine Frage hin auch schon, sie hätten eben Mathe nicht gerne, oder, sie wollten mit Kindern, Behinderten (...) arbeiten. Es scheint sich, soweit ich das überblicken kann, nicht viel an diesem "Befremdet-Sein" geändert zu haben. Deshalb möchte ich das hier mal genauer unter die Lupe nehmen und den Gründen nachgehen, ob und warum gerade Sozialtätige sich für Wirtschaft interessieren sollten.

Diesen Februar hat Katharina Serafimova am GDI in Rüschlikon ein Referat mit dem Titel "Das gesellschaftliche Klima wird spürbar kälter" gehalten. Was mir dabei besonders gefallen hat, ist, dass sie als Naturwissenschaftlerin die Finanzwirtschaft betrachtet und sich dabei die Frage gestellt hat: "Warum zerstören wir mit unserem Wirtschaften die Lebensgrundlagen?" Keine triviale Frage!

Der Ruf nach mehr Wachstum ertönt jedes Jahr von Neuem, spätestens wenn gegen Ende Jahr die Wachstumsraten bekannt gegeben werden. Steter wirtschaftlicher Wachstum liegt dem kapitalisten Wertesystem zugrunde, auch wenn nicht unbedingt klar ist, wieviel von welchem Wachstum damit gemeint ist. Adam Smith, der als Begründer der Nationalökonomie gilt, hat in seiner Theorie die Ansicht vertreten, dass die Öffnung der Märkte zu einem sich selbst regulierenden Gleichgewicht führen und der Staat möglichst nicht eingreifen sollte. Unterdessen scheinen die Märkte manchmal zu machen was sie wollen, der Staat mischt sich ein, wenn es um die Rettung grosser Finanzunternehmen geht und der Wert eines Produktes oder einer Dienstleistung ist immer seltener vom Produkt selber bestimmt, als vielmehr umgekehrt vom erwünschten Gewinn, also dem Geld ausgehend. Sehr schön hat Yuval Noah Harari in seinem Buch Sapiens die Geschichte des Geldes erzählt. Von der Idee eines Tauschmittels, welches universell konvertierbar und mit einem universellen Vertrauen ausgerüstet ist, von Kaurimuscheln und Goldmünzen bis hin zu abstrakteren Formen, wie z.B. den heutigen Bitcoins. Solange diese beiden Prinzipien (Konvertierbarkeit und Vertrauen) gegeben sind, solange funktioniert das System. Sogar wenn das Geld sich zunehmend digitalisiert und wir weniger an Geldscheine als vielmehr an das Funktioneren unserer EC- und Kreditkarte glauben. Wer mehr zu diesem Thema wissen möchte, dem empfehle ich den Republik-Artikel "Warum sind wir so reich? von Daniel Binswanger.

Warum soll das alles für Sozialarbeitende wichtig sein?

Nun, als erster Punkt natürlich, weil wir alle, unabhängig von unserer Funktion, in diesem Wirtschaftssystem eingebunden sind und globale Finanzströme nicht unwesentlich für unser persönliches Auskommen und das Gestalten unserer Zukunft sind.

Dazu kommt, zweitens, dass unsere Klientel einen begrenzten, erschwerten oder gar keinen Zugang zu diesem System hat und manche sogar ausschliesslich auf Renten oder wirtschaftlicher Hilfe des Staates angewiesen sind.

Und drittens, weil die eingangs gestellte Frage von Katharina Serafimova so wichtig ist. Weil wir uns fragen müssen, ob es einen anderen Weg neben Konsumismus und stetem Wachstum gibt. Weil wir uns fragen müssen, ob es eine nachhaltige Form von Umgang mit Geld auf individueller wie auch auf globaler Ebene gibt, und weil es immer noch Werte gibt, die nicht mit Geld aufgewogen werden können, wie z.B. Liebe, Glück, Loyalität, Moral, Freundschaft oder Zeit...

Gerade solche Werte, die nicht mit Geld aufgewogen werden können, geraten zunehmend ins Visier eines Bewertungsanspruches. Sie sollen monetär messbar gemacht werden um Erklärungen für menschliches Verhalten zu finden und entsprechende (Regulierungs-) Massnahmen abzuleiten. In der Sozialen Arbeit kennen wir "Messversuche" seit den frühen 1990er-Jahren, als die neoliberale Welle in die Welt der Sozis eindrang. Die Bearbeitung sozialer Probleme und damit soziale Organisationen, die diese Ziele verfolgten, wurden mit Leistungsvereinbarungen von staatlicher Seite her ausgestattet und ein Controlling eingeführt. Diese neue Verteilung und Überwachung der Finanzströme sorgte dafür, dass Sozialarbeitende ihre Arbeit zum ersten Mal legitimieren und ausweisen mussten. Und damit mit einer Bewertung von Aufgaben und dahinterliegenden Werten konfrontiert waren.

Doch was betriebswirtschaftlich einfach klingt, wird zunehmend kompliziert, wenn die Soziale Arbeit sich als eine Dienstleistung versteht, die nicht mit Kriterien der Produktlogik gemessen werden kann, die eine qualitativ nachhaltige Arbeit dann leisten kann, wenn es zu einer gelingenden Kooperation mit den KlientInnen kommt, was erfahrungsgemäss Zeit und Vertrauen (!) braucht. Interventionen von Professionellen der Sozialen Arbeit sind von der qualitativen Seite her schwer standardisierbar. Gerade weil sie sich auf nicht-monetäre Werte stützen.

Ein weiterer Kritikpunkt gilt den Werten, die hinter den Leistungsvereinbarungen stehen, die ausschliesslich auf eine Reintegration und Teilhabe an einer mehrheitlich konsumorientierten, kapitalistischen Gesellschaft zielen. Auch wenn ökonomische Bedürfnissen bei wohl den meisten Klientinnen einem grundlegenden und unmittelbaren Bedürfnis entsprechen, braucht es wesentlich mehr um ein erfülltes und selbstbestimmtes Leben leben zu können.

Doch dazu mehr in einem nächsten Beitrag.

100 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
bottom of page